J. Philippe Blankert, Niederlande, 15. Februar 2025, KI-unterstützt
Aktuelle wirtschaftliche Lage Deutschlands: Eine umfassende Analyse
- Gesamtwirtschaftliche Entwicklung
Konjunktur und Wachstum: Die deutsche Wirtschaft befindet sich seit 2023 in einer Schwächephase. Nach einem Wachstum von +1,8 % im Jahr 2022 rutschte das Bruttoinlandsprodukt 2023 leicht ins Minus (−0,3 %) (zdf.de). Hohe Inflation, gestiegene Zinsen und eine abgekühlte Weltkonjunktur belasteten Konsum und Investitionen. Auch 2024 blieb die Entwicklung verhalten – Deutschland verfehlte das Wachstumstempo vieler EU-Partner. Prognosen gingen für 2024 zunächst von +0,5 % in Deutschland aus, gegenüber ~1 % im Euroraum. (tagesschau.de). Tatsächlich schrumpfte die Wirtschaftsleistung Ende 2024 nochmals leicht, sodass Deutschland in Summe zwei Rezessionsjahre in Folge verzeichnete (2023: −0,3 %, 2024: −0,2 %) (spiegel.de). Damit hinkt Deutschland dem EU-Durchschnitt hinterher.
Vergleich mit EU-Nachbarn: Während Deutschlands BIP stagnierte oder sank, konnten einige Nachbarländer noch ein geringes Wachstum aufweisen. Frankreich erreichte 2024 etwa knapp 1 % Wachstum – allerdings um den Preis deutlich höherer Staatsverschuldung (tagesschau.de). Italien kam auf ca. 0,7 % Wachstum, liegt damit leicht über dem deutschen Wert (tagesschau.de), kämpft jedoch ebenfalls mit hoher Neuverschuldung und strukturellen Problemen. Spanien entwickelte sich konjunkturell robuster mit rund 2 % Wachstum, gestützt durch den Tourismussektor. Besonders osteuropäische EU-Staaten wie Polen, Ungarn oder die Slowakei verzeichneten 2024 mit über 2 % ein deutlich höheres Wachstum. Deutschlands Konjunkturschwäche stellt somit im EU-Kontext eine Ausnahme dar und drückt das Gesamtergebnis der Eurozone.
Arbeitsmarkt und Inflation: Trotz der Wachstumsschwäche blieb der deutsche Arbeitsmarkt relativ robust; die Arbeitslosenquote pendelte um 5–6 %. Allerdings verharrte die Inflation 2023 auf hohem Niveau (~6 %) und ging erst 2024 allmählich zurück. Die hohe Teuerung schmälerte die Kaufkraft der Haushalte und trug maßgeblich zur Konsumflaute bei (zdf.de). Im EU-Vergleich lagen die Verbraucherpreise 2023 in Deutschland rund 9,6 % über dem EU-Durchschnitt (destatis.de).
– u.a. wegen höherer Energie- und Lebensmittelpreise infolge des Ukraine-Kriegs. Insgesamt attestiert die EU-Kommission Deutschland für 2023/24 eine schwächere Konjunktur als vielen Partnerländern
Automobilindustrie – Rückgrat mit Herausforderungen: Als größter Industriezweig Deutschlands steht die Automobilbranche im Zentrum der konjunkturellen Betrachtung. 2023 zog die Pkw-Produktion nach Überwindung von Lieferengpässen zwar deutlich an: In Deutschland liefen etwa 4,1 Mio. Pkw vom Band, +18 % gegenüber 2022 (meinauto.de). Dennoch liegt die Produktion weiterhin rund 12 % unter Vorkrisenniveau (2019). Die Exportquote ist sehr hoch – 76 % der in Deutschland gefertigten Pkw gingen 2023 ins Ausland (zdf.de). Der Export von Fahrzeugen und -teilen stieg wertmäßig um 10 % gegenüber dem Vorjahr, was die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Autos belegt. Zudem produzieren deutsche Konzerne im Ausland (vor allem in China, USA, Mexiko) mittlerweile etwa 10 Mio. Pkw zusätzlich – fast das Zweieinhalbfache der Inlandsproduktion.
Die Branche verfügt über enorme Innovationskraft: Kein anderer Sektor investiert so viel in Forschung und Entwicklung. Zwischen 2024 und 2028 planen die Hersteller über 280 Mrd. € F&E-Investitionen. Rund 27 % aller F&E-Beschäftigten Deutschlands arbeiten im Automobilsektor, was dessen technologische Bedeutung unterstreicht. Diese Stärken stehen jedoch mehreren Herausforderungen gegenüber: Zum einen erfordert der Umstieg auf Elektroantriebe gewaltige Anpassungen. Zwar steigen die E-Auto-Produktionszahlen – Deutschland fertigte im ersten Halbjahr 2024 bereits ~672.900 Elektro-Pkw (+93 % ggü. Vorjahr) (meinauto.de).Doch die Inlandsnachfrage schwächelt, insbesondere nach Kürzung der Kaufprämien (−29 % E-Neuzulassungen im März 2024). Zum anderen wächst die Konkurrenz aus China: Chinesische Hersteller drängen mit günstigen E-Modellen auf den europäischen Markt. Zwar lag ihr Anteil in Deutschland Anfang 2024 erst bei ca. 1,8 % (ebnerstolz.de), doch in China selbst haben heimische Marken deutschen Autobauern bereits erhebliche Marktanteile abgejagt (br.de, ifw-kiel.de). Die deutsche Automobilindustrie ist stark vom chinesischen Absatzmarkt abhängig (rund ein Drittel ihres Geschäfts) (nbtimes.de) – sowohl Chance als auch Risiko. Weiterhin belasten hohe Energie- und Rohstoffkosten den Standort: Strom ist für industrielle Großverbraucher in Deutschland deutlich teurer als etwa in Frankreich (wo Kernenergie genutzt wird). Die Regierung plant daher einen subventionierten Industriestrompreis, um energieintensive Produktion im Land zu halten. Insgesamt bleibt die Autobranche eine Schlüsselindustrie, die mit ihrer Wertschöpfungskette (Zulieferer, Dienstleistungen) Millionen Arbeitsplätze sichert – direkt knapp 780.000 Beschäftigte (2023) – aber zugleich vor einem tiefgreifenden Strukturwandel steht (Dekarbonisierung, Digitalisierung, globaler Wettbewerb).
- SWOT-Analyse der deutschen Wirtschaft
Unter Anwendung einer SWOT-Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats) lassen sich die folgenden Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken des Wirtschaftsstandorts Deutschland identifizieren:
Stärken: Deutschland zählt trotz aktueller Schwäche zu den innovativsten Volkswirtschaften der Welt. Im Global Innovation Index rangiert Deutschland auf Platz 8 von 132 Ländern – begünstigt durch hohe FuE-Ausgaben und eine starke industrielle Forschungsbasis (kfw.de). Besonders die Automobil-, Maschinenbau-, Elektro- und Chemieindustrie sind international führend und tragen zu Deutschlands Rolle als größte Volkswirtschaft Europas bei (kpmg.com). Entsprechend ist Deutschland mit ~4,3 Billionen € BIP (2024) nach USA, China und knapp vor Japan die drittgrößte Volkswirtschaft weltweit (kpmg.com). Die Exportquote ist hoch; Deutschland war lange drittgrößte Exportnation (v.a. Autos und Chemie) (kpmg.com)
Weitere Stärken liegen in der Infrastruktur und dem Kapitalmarkt. Die Transportinfrastruktur wird international sehr gut bewertet – im Weltbank-Logistikindex 2023 belegt Deutschland (gemeinsam mit Kanada) Rang 3 von 139 Ländern (kfw.de). Unternehmen – auch Mittelständler – haben vergleichsweise guten Finanzierungszugang (hohe Kreditverfügbarkeit, starker Bankensektor) (kfw.de)
Zudem verfügt Deutschland über einen großen Fachkräftepool mit dualer Ausbildung und renommierten Universitäten, auch wenn Engpässe zunehmen. Politisch punktet der Standort mit stabilen Institutionen, Rechtsstaatlichkeit und zentraler EU-Lage, was für Investoren attraktiv ist (kpmg.com).
Insgesamt kann Deutschland auf eine breite industrielle Basis und hohe Produktqualität bauen – ein guter Ausgangspunkt, um Herausforderungen anzugehen (kfw.de).
Schwächen: Gleichzeitig treten strukturelle Schwächen deutlicher zutage. Ein zentraler Problembereich ist die Digitalisierung – hier rangiert Deutschland nur im Mittelfeld der OECD und EU (kfw.de). Schnelles Internet, E-Government und digitale Geschäftsmodelle hinken hinterher, was die Produktivität bremst. Ebenso fehlt es an Wagniskapital und Gründungsdynamik: Die Umsetzung von Erfindungen in erfolgreiche Start-ups gelingt zu selten; Venture-Capital-Finanzierung ist geringer ausgeprägt als etwa in den USA (kfw.de). Hinzu kommen hohe Bürokratiebelastungen und Unternehmenssteuern. Wirtschaftsverbände monieren „überbordende Bürokratie“ sowie hohe Kosten für Energie, Arbeit und Steuern, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit schmälern (kpmg.com).
So liegt der kombinierte Steuersatz für Unternehmen in Deutschland derzeit bei ~30 %, während Frankreich auf 25 % gesenkt hat (und die Union 25 % als Maximum fordert) (tagesschau.de). Auch die staatlichen Investitionen waren lange relativ niedrig – trotz leichter Erhöhung zuletzt (von 1,9 % des BIP 2005 auf ~2,6 % aktuell) bleibt Deutschland hinter dem Investitionsbedarf zurück (kfw.de). Dies zeigt sich in teils maroder Infrastruktur (Brücken, Schienen) und schleppendem Ausbau (z.B. beim Bahnnetz oder der Energiewende). Energiepreise sind nach dem Wegfall günstigen Erdgases stark gestiegen, was energieintensive Industrien belastet. Zudem steht Deutschland vor einer demografischen Herausforderung: Die Gesellschaft altert, das Erwerbspersonenpotential schrumpft künftig ohne Zuwanderung (kfw.de). Der sich abzeichnende Fachkräftemangel könnte das Wachstum auf Dauer bremsen. Zusammengefasst sind die Kostenstruktur (Energie, Lohnnebenkosten), regulatorische Hürden und Demografie die größten Schwachpunkte des Standorts.
Chancen: Trotz allem bietet die aktuelle Situation auch Chancen. Die momentane Konjunkturschwäche erhöht den Handlungsdruck, lange verschleppte Reformen anzugehen – bei noch immer guter Ausgangsposition (kfw.de).
So kann Deutschland durch geeignete Weichenstellungen seine Stärken ausbauen und neue Wachstumspotenziale heben. Klimaschutz und Energiewende etwa erfordern enorme Investitionen in erneuerbare Energien, Netze, Speicher und klimafreundliche Technologien. Hier kann Deutschland – etwa im Maschinen- und Anlagenbau oder bei grüner Chemie – Technologieführerschaft übernehmen und von der weltweiten Nachfrage nach Klimaschutzlösungen profitieren. Auch die digitale Transformation birgt ungenutzte Produktivitätsgewinne, falls Industrie 4.0, KI und E-Government konsequent umgesetzt werden. Die Regierung plant z.B. einen „Deutschlandfonds“ mit 100 Mrd. € zur Förderung privater und öffentlicher Zukunftsinvestitionen (deutschlandfunk.de). Zudem eröffnen Fachkräfteeinwanderung und Zuwanderung Chancen, dem demografischen Wandel zu begegnen. Mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2023 und einer liberaleren Migrationspolitik könnten mehr qualifizierte Arbeitskräfte ins Land geholt werden, um Engpässe zu lindern (die SPD betont ausdrücklich die Bedeutung ausländischer Arbeitskräfte für Wachstum und Rente (deutschlandfunk.de). Auch europäische Kooperationen (z.B. bei Rüstungsprojekten, Chip-Fabriken oder Batteriezellenwerken mit EU-Förderung) können zu Wachstum führen. Schließlich verfügt Deutschland über erhebliche Kapitalreserven im Privatsektor; eine Mobilisierung (etwa durch Anreize für Venture Capital, oder den geplanten Staatsfonds für Zukunftstechnologien) könnte die Innovationsfinanzierung verbessern. Zusammenfassend bietet die Transformation hin zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit – bei kluger Politik – die Chance, neue Industrien und Jobs zu schaffen und langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Risiken: Dem stehen verschiedene Risiken gegenüber. Extern drohen geopolitische Konflikte und Handelsbeschränkungen das exportorientierte Geschäftsmodell zu erschüttern (kfw.de).
Der russische Krieg in der Ukraine hat bereits die Energieversorgungssicherheit getestet; eine weitere Eskalation oder ein Ausweiten der Konflikte (z.B. China-Taiwan) könnten Lieferketten unterbrechen und Märkte wegbrechen lassen. Auch der zunehmende Protektionismus (US-Subventionsprogramme wie der IRA, chinesische Exportkontrollen für kritische Metalle etc.) stellt deutsche Firmen vor Herausforderungen. Die hohe Abhängigkeit von einzelnen Märkten, insbesondere China, ist ein Klumpenrisiko: Ein Konjunktureinbruch oder politische Spannungen mit China würden Branchen wie Automobil oder Maschinenbau hart treffen (kpmg.com). Intern ist die politische Stabilität ein Risiko, da die gestiegene Polarisierung (z.B. Aufstieg der AfD) Investoren verunsichern könnte. Die aktuelle Koalition zerbrach Ende 2024 u.a. am Dauerstreit – politischer Reformstau kann nötige Investitionen verzögern (kpmg.com). Zudem könnte eine weiterhin hohe Inflation (sollte sie wieder aufflammen) zu Kaufkraftverlust und Nachfrageeinbruch führen. Klimarisiken – etwa Extremwetter – können ebenfalls wirtschaftliche Schäden anrichten (z.B. Dürren in der Landwirtschaft oder Flutschäden in der Industrie). Langfristig droht ohne Gegensteuern eine schleichende Deindustrialisierung: Bereits jetzt investieren Unternehmen teils lieber im Ausland, wo Energie günstiger und Genehmigungen schneller sind (kpmg.com).
Fazit: Deutschlands Wohlstand steht an einem Punkt, an dem entschiedenes Handeln gefragt ist. Die Stärken (hochinnovative Industrielandschaft, qualifizierte Fachkräfte, robuste Institutionen) sind noch vorhanden, aber die Schwächen (Kosten, Bürokratie, Investitionsstau) und externen Risiken setzen den Standort unter Druck. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit behaupten kann – die Basis dazu ist vorhanden, doch ohne Reformen droht ein weiteres Abrutschen im internationalen Vergleich (kfw.de). .
- Asylpolitik und die AfD
Rolle der AfD in der Asyldebatte: Die Alternative für Deutschland (AfD) hat sich in den letzten Jahren als striktester Gegner der bisherigen Asylpolitik profiliert. Sie nutzt das Thema Migration konsequent, um Wähler zu mobilisieren, und erfährt damit – angesichts gestiegener Flüchtlingszahlen seit 2022 – erheblichen Zulauf (Umfragewerte um 20 % bundesweit). Die AfD setzt in ihrem Programm auf den Kampfbegriff „Remigration“, der in rechtsextremen Kreisen die Rückführung von Migranten in ihre Herkunftsländer bedeutet (tagesschau.de). Konkret fordert die AfD eine “konsequente Abschiebung” abgelehnter oder ausreisepflichtiger Asylbewerber und die Abschaffung von Duldungen (tagesschau.de).
Sie möchte den Schutzstatus vieler Geflüchteter – etwa subsidiär geschützten Syrern – überprüfen und möglichst widerrufen, um deren Rückkehr zu verhandeln (tagesschau.de). Auch will die AfD Herkunftsstaaten mit massivem Druck (Sanktionen, Entzug von Entwicklungshilfe, Visa-Stopps) zur Rücknahme ihrer Staatsangehörigen zwingen (tagesschau.de). Insgesamt strebt die Partei eine nahezu komplette Abschottung an: “Nicht länger an einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik beteiligen”, stattdessen alle Personen ohne Papiere an der deutschen Grenze abweisen (tagesschau.de). Asylverfahren sollen ins Ausland verlagert und staatliche Seenotrettung im Mittelmeer eingestellt werden (tagesschau.de).Die AfD lehnt auch humanitäre Aufnahmeprogramme (etwa für afghanische Ortskräfte) ab (tagesschau.de).
Diese Maximalforderungen der AfD – die praktisch auf eine Aufkündigung des Asylrechts hinauslaufen – stoßen bei allen anderen Parteien auf Ablehnung, haben aber den Diskurs deutlich nach rechts verschoben.
Tatsächlich hat der Erfolg der AfD viele etablierte Parteien dazu veranlasst, ihre Rhetorik zu verschärfen und verschärfte Asylpolitiken ins Gespräch zu bringen. Ein markantes Beispiel: Im Januar 2025 beschloss der Bundestag erstmals mit AfD-Stimmen einen migrationspolitischen Antrag. Die oppositionelle CDU/CSU hatte einen „Fünf-Punkte-Plan“ für härtere Asylregeln eingebracht, der mit Unterstützung von FDP und AfD angenommen wurde (tagesschau.de). Damit trat ein Tabubruch ein, denn erstmals verhalfen AfD-Stimmen einem Mehrheitsbeschluss im Bundestag zur Mehrheit – sehr zur Empörung von SPD und Grünen (tagesschau.de). AfD-Fraktionschef Baumann triumphierte, nun beginne “etwas Neues” (tagesschau.de). Diese Episode zeigt die Dilemma: Die AfD erzwingt durch ihre Erfolge eine Debatte, in der selbst bislang undenkbare Allianzen (FDP mit AfD) zustande kommen.
Hätten andere Parteien früher handeln sollen? Aus Reihen von CDU/CSU ist zu hören, die Regierung habe zu lange gezögert, die Migration zu begrenzen – und so der AfD den Boden bereitet. Friedrich Merz (CDU) betont, dass die Union schon seit 2015/16 konsequentere Maßnahmen (Obergrenzen, strengere Kontrolle der EU-Außengrenzen) gefordert habe. Einige Politiker der Ampel wiederum argumentieren, die AfD vereinfachere komplexe Probleme nur populistisch; man dürfe deren Narrative nicht einfach übernehmen. Faktisch reagiert die Ampel aber nun ebenfalls: Die SPD-geführte Regierung verschärfte 2023 bereits Abschieberegeln (leichtere Abschiebung von Straftätern und Gefährdern) und arbeitet auf EU-Ebene an einem Asylkompromiss, der Asylverfahren an den EU-Außengrenzen vorsieht. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte an, Rückführungen zu forcieren und “irreguläre Migration spürbar zu reduzieren”. Viele Kommentatoren meinen rückblickend, dass insbesondere die großen Volksparteien das Thema zu lange unterschätzt haben. SPD und Union hatten nach 2015 zwar Asylrechtsreformen umgesetzt (u.a. Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer, das EU-Türkei-Abkommen), doch blieben die Probleme bei Integration und Abschiebung bestehen. Die Grünen hielten lange an einer liberalen Linie fest und taten sich bis vor kurzem schwer, Verschärfungen mitzutragen – was die AfD ihnen als Naivität auslegt. Auch die FDP forderte intern früher ein strengeres Vorgehen, konnte sich in der Ampel aber nicht immer durchsetzen. Unions-Kanzlerkandidat Merz machte Migration 2024/25 nun zum Kern seiner Kampagne und verwischt dabei die Grenze zum AfD-Vokabular (etwa mit Begriffen wie “Asyltourismus” in Anlehnung an CSU-Aussagen von 2018). Insgesamt lässt sich sagen: Die AfD besetzt das Thema lautstark und zwingt die Konkurrenz, Position zu beziehen – ob diese früher drastischer hätte handeln sollen, ist politisch umstritten, doch wird im Nachhinein oft konstatiert, dass ein frühzeitiger breiter Lösungsansatz (EU-weit, schnellere Verfahren, Integration + Rückführung) vielleicht den dramatischen Aufstieg der AfD hätte dämpfen können.
Positionen der Parteien zur Migration: Im aktuellen Bundestagswahlkampf 2025 zeichnet sich folgendes Spektrum ab:
- AfD: wie beschrieben radikal restriktiv. Kernpunkte: Remigration hunderttausender Migranten, Abschaffung des individuellen Asylrechts in Deutschland, Austritt aus der EU-Asylpolitik, Zurückweisung von Migranten an der Grenze, keine Einbürgerungen außer nach sehr langen Zeiten (tagesschau.de).Die AfD will Asyl nur noch in Aufnahmelagern außerhalb Europas gewähren lassen und lehnt selbst humanitäre Ausnahmen ab. Sie spricht von „Umvolkung“ (ein völkischer Begriff) und stilisiert sich als einzige Wahrerin der nationalen Identität.
- CDU/CSU: fordert einen „faktischen Aufnahmestopp“ für Asylsuchende in Deutschland. Ankommende Migranten, die aus einem sicheren Drittstaat der EU einreisen (etwa über Polen oder Österreich), sollen sofort an der Grenze zurückgewiesen werden (tagesschau.de).
Die Union möchte damit das Dublin-Prinzip (Asylantrag im Ersteinreiseland) strikt durchsetzen. Zudem will sie nur noch kontingentiert wirklich Schutzbedürftige aufnehmen – genaue Jahreszahlen nennt das Programm nicht, aber es schwebt ein jährliches Kontingent vor.
Die Union plädiert für Asylverfahren an EU-Außengrenzen und sichere Drittstaaten-Abkommen nach dem Vorbild Dänemarks (Aufnahmezentren außerhalb Europas). Sachleistungen statt Geld in Erstaufnahmeeinrichtungen, schnellere Verfahren und konsequentere Abschiebungen gehören ebenfalls zum Konzept. Insgesamt nähert sich die CDU/CSU damit in der Rhetorik der AfD an, hält aber am grundsätzlichen Recht auf Asyl fest (im Gegensatz zur AfD). Innenpolitisch fordert die Union mehr Polizei und Grenzkontrollen. Durch die Abstimmung mit AfD-Stimmen hat die Union gezeigt, dass sie zur Not auch Tabus bricht, um ihre Linie durchzusetzen. .
- FDP: setzt auf ordnungspolitische Maßnahmen und eine umfassende Neuordnung. Sie fordert ein Einwanderungsgesetzbuch, das alle Regeln für Migration und Asyl bündelt, um mehr Klarheit zu schaffen. Die Liberalen wollen verstärkt auf Sachleistungen statt Geldzahlungen umstellen und eine flächendeckende Bezahlkarte für Asylbewerber einführen – damit soll Missbrauch vorgebeugt und der Anreiz sinken, nur des Sozialgeldes wegen zu kommen. Langfristig möchte die FDP die Sozialleistungen für Asylbewerber EU-weit angleichen, um sogenannte „Pull-Faktoren“ zu reduzieren. Außerdem will sie Abschiebungen effizienter machen, indem der Bund statt der Länder dafür zuständig wird. Gleichzeitig betont die FDP aber die Chancen von legaler Arbeitsmigration – das neue Punktesystem für Fachkräfte wird von ihr vorangetrieben. In der Koalition drängte die FDP auf härtere Gangart bei irregulärer Migration und begrüßte den EU-Asylkompromiss 2023 (mit Grenzverfahren).
- SPD: verfolgt einen ausgewogenen Ansatz. Schwerpunkt ist die Beschleunigung von Asylverfahren – sowohl beim Bundesamt (BAMF) als auch bei den Gerichten, damit Schutzbedürftige schneller Klarheit erhalten und Ausreisepflichtige schneller zurückgeführt werden können. Die SPD setzt sich für europäische Migrationsabkommen ein, welche legale Wege (Arbeitsvisa, humanitäre Kontingente) schaffen, aber im Gegenzug Herkunftsländer verpflichten, abgelehnte Bewerber zurückzunehmen. Integrationsmaßnahmen sollen ausgebaut werden (Sprache, Kurse) und ausreichend finanziert sein. Im Gegensatz zu CDU/FDP will die SPD den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte weiterhin ermöglichen, da dies für Integration als essentiell angesehen wird. Eine Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten lehnt die SPD ab – man wolle die Menschenwürde achten und keine „dunklen Lager“ fernab europäischer Aufsicht unterstützen. Stattdessen plädiert Scholz für eine solidarische Verteilung innerhalb der EU. Die SPD hat zudem das Einbürgerungsrecht reformiert (Erleichterungen, kürzere Fristen bei Integration). Zusammengefasst: die SPD will humanitären Ansprüchen gerecht bleiben, aber Ordnung und Steuerung verbessern („Fördern und Fordern“).
- Grüne: treten am deutlichsten für eine menschenrechtsorientierte Asylpolitik ein. Sie betonen, das Grundrecht auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonvention seien unanfechtbar. Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete lehnen sie strikt ab; mit Regimen wie den Taliban dürfe es keine Rückführungsabkommen geben. Die Grünen wollen Geflüchtete dezentral unterbringen statt in Massenlagern und ihnen früh Zugang zum Arbeitsmarkt gewähren (Arbeitsverbote abschaffen). Sprach- und Integrationskurse sollen großzügig finanziert werden. Externalisierung von Asylverfahren in Drittstaaten sehen die Grünen äußerst kritisch – solche Pläne hätten sich als teuer und rechtlich zweifelhaft erwiesen. . Statt Abschottung setzen sie auf Fluchtursachenbekämpfung, Seenotrettung und legale Fluchtwege (Resettlement-Programme). Im Wahlprogramm der Grünen findet sich auch die Forderung nach kommunalem Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer und einer einfacheren Einbürgerung. Intern haben die Grünen zwar Kompromisse mitgetragen (z.B. das EU-Asylpaket), aber ihr Herz schlägt für eine offene Gesellschaft.
- Linke: (nicht explizit gefragt, aber zur Vollständigkeit) plädiert für weitgehend offene Grenzen und umfassenden Schutz von Geflüchteten. Sie fordert ein Ende der „Abschottungspolitik“ und kritisiert sowohl Ampel als auch Union für den Rechtsruck in der Asyldebatte. Allerdings befindet sich die Linke in Auflösungstendenzen, und das neu formierte Wagenknecht-Bündnis (BSW) vertritt in Teilen eine restriktivere Linie als die traditionelle Linke – was die politische Landschaft weiter fragmentiert.
Zusammenfassung: Die AfD spielt in der Asylpolitik-Debatte die Rolle des Maximal-Verschärfers und hat es geschafft, das Thema ganz oben auf die Agenda zu setzen. Dadurch sahen sich die anderen Parteien genötigt, ihre eigenen Konzepte nachzuschärfen – von der Union, die einen „Aufnahmestopp“ propagiert, bis zur Ampel, die auf EU-Lösungen und schnellere Verfahren setzt. Ob frühere Maßnahmen den Erfolg der AfD hätten bremsen können, bleibt hypothetisch. Fest steht, dass nun ein Wettbewerb um die Glaubwürdigkeit in der Migrationspolitik entbrannt ist. Die Wähler registrieren genau, wer Lösungen anbietet – und wer nur Stimmung macht. Im Ergebnis stehen sich bei der Wahl 2025 klare Alternativen gegenüber: Ein eher moderat-humanitärer Kurs (SPD/Grüne) versus ein restriktiv-ordnungsorientierter Kurs (CDU/FDP) – und jenseits davon die AfD mit radikalen Parolen. Die kommenden Monate werden zeigen, ob die AfD weiter von dem Thema profitiert oder ob die etablierten Parteien verlorenes Vertrauen zurückgewinnen können.
- Top 5 Themen der deutschen Wähler
Welche politischen und gesellschaftlichen Fragen beschäftigen die Deutschen derzeit am meisten? Aktuelle Umfragen zeigen ein relativ konsistentes Bild der Top-Themen:
- Umwelt und Klimawandel: Trotz aller ökonomischen Sorgen steht der Klimaschutz weiterhin ganz oben. In einer Forsa-Umfrage (Herbst 2024) nannten 39 % der Befragten „Umwelt und Klimawandel“ als eines der drängendsten Probleme (evangelische-zeitung.de). Dies ist bemerkenswert, da die öffentliche Debatte zuletzt stark von Migration dominiert war (evangelische-zeitung.de). . Offenkundig betrachten viele Bürger die Klimakrise langfristig als größte Herausforderung – auch wenn die Priorität im Vergleich zu früheren Jahren gesunken ist (2020 lagen diese Werte noch bei ~59 %). Das Thema Klima umfasst dabei Sorgen über Extremwetter, Energiepreise und die Verkehrswende. Gerade jüngere Wähler und Anhänger der Grünen bewerten den Klimawandel als Top-Thema (3 von 4 Grünen-Anhängern sehen es unter den zwei wichtigsten Problemen). Allerdings hat die Dringlichkeit unter Anhängern anderer Parteien abgenommen – nur noch ~20 % der Unionsanhänger priorisieren Klima, bei AfD-Anhängern nahezu niemand..
- Wirtschaftliche Lage: An zweiter Stelle steht die allgemeine Wirtschaftssituation mit etwa 32 % Nennungen (evangelische-zeitung.de). Dazu zählen Wachstum, Arbeitsplätze, aber vor allem die Inflation und Lebenshaltungskosten. Nach dem Energiepreisschock 2022/23 und der spürbaren Teuerung machen sich viele Menschen Sorgen um ihren Wohlstand. Zwar sinken die Inflationsraten allmählich, doch bleibt die gefühlte Belastung hoch (Mieten, Lebensmittel, Energie). Viele Unternehmen klagen zudem über die Konjunkturschwäche – Themen wie Standortattraktivität, Deindustrialisierung und Fachkräftemangel haben Eingang in die öffentliche Diskussion gefunden. Die Regierung versucht mit Entlastungspaketen, Fachkräfte-Offensiven und Investitionsprogrammen gegenzusteuern (Stichwort „Deutschland-Pakt“ Scholz’). Trotzdem ist das Vertrauen in die Wirtschaftspolitik erschüttert: Nur 27 % glauben laut DeutschlandTrend, die Ampel habe ein gutes Wirtschaftskonzept (tagesschau.de). Im EU-Vergleich beurteilen Deutsche die wirtschaftliche Lage pessimistischer als z.B. Franzosen.
- Zuwanderung und Migration: Ebenfalls rund 32 % der Bürger zählen das Thema Migration/Einwanderung zu den wichtigsten Problemen. Damit hat die Migrationsdebatte – angefacht durch steigende Asylzahlen und die mediale Präsenz von Flüchtlingsunterbringung, „Asylstreit“ und einzelnen Gewalttaten – enorm an Bedeutung gewonnen. Im ARD-DeutschlandTrend Januar 2025 nannten die Befragten Migration sogar als wichtigstes Einzelthema, noch vor der Wirtschaft. Die Diskussion dreht sich vor allem um Flüchtlinge, Asylverfahren und Abschiebungen, aber auch um Integration der bereits hier lebenden Migranten. Die Sorgen reichen von Überforderung der Kommunen (Unterkünfte, Schulen) bis zu innerer Sicherheit. Regional gibt es Unterschiede: In Ostdeutschland rangiert Migration oft an erster Stelle der Problemwahrnehmung, was den Höhenflug der AfD dort erklärt. Bundesweit hat das Thema eine starke Polarisierung erzeugt – einerseits Ängste vor unkontrollierter Zuwanderung, andererseits Appelle für Humanität. Dass Migration so prominent ist, hat direkte Auswirkungen auf das Parteiensystem (siehe oben). Die etablierten Parteien versuchen, durch sichtbare Maßnahmen (Grenzkontrollen, Asylkompromiss) die Besorgnis der Bevölkerung aufzugreifen.
- Internationale Sicherheitslage und Krieg: Etwa 22 % der Bürger sehen die globale Sicherheitslage bzw. den Krieg in der Ukraine als eines der größten Probleme. Seit dem russischen Überfall 2022 ist das Thema „Frieden und Sicherheit“ wieder in den Vordergrund gerückt. Insbesondere ältere Generationen und Anhänger der Linken und SPD betonen die Friedensfrage (laut Statista ~45 % nannten „Frieden“ kurz vor der Wahl als wichtigstes Anliegen) (de.statista.com). Die anhaltenden Kämpfe in der Ukraine, die Ungewissheit über die weitere Eskalation und Deutschlands Rolle (Waffenlieferungen, NATO-Verpflichtungen) bewegen viele Menschen. Auch der Konflikt im Nahen Osten (Israel/Gaza) sowie generell die Außenpolitik (China, USA, geopolitische Spannungen) sind Gegenstand von Sorge. Deutschland hat erhebliche wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen, die durch die unsichere Weltlage tangiert werden. Das spiegelt sich in der öffentlichen Meinung wider: Eine Mehrheit befürwortet zwar die Unterstützung der Ukraine, hat aber Angst vor einer Ausweitung des Krieges. Dieses Bedürfnis nach Sicherheit beeinflusst auch innenpolitisch Debatten (Verteidigungsausgaben, Bundeswehrstärke, Zivilschutz).
- Inflation und soziale Ungleichheit: Mit rund 19 % Nennungen wird spezifisch die Inflation nochmals als eigenes Thema genannt (evangelische-zeitung.de). . Viele trennen das in Umfragen vom Oberbegriff „Wirtschaft“ – die hohen Preise im Alltag sind für nahezu jeden spürbar. Steigende Mieten, teure Lebensmittel und Energie belasten v.a. Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Eng damit verknüpft ist das Thema soziale Gerechtigkeit/Ungleichheit, das zwar nicht immer offen in den Top-5 genannt wird, aber im Hintergrund eine große Rolle spielt. Laut ARD betrachtet eine überwältigende Mehrheit (77 %) die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich als ernstes Problem für den gesellschaftlichen Zusammenhalt (tagesschau.de). Der Ruf nach Entlastungen, gerechter Verteilung und Lohnerhöhungen ist laut. So fordern z.B. Gewerkschaften und Linke eine Übergewinnsteuer und stärkere Umverteilung, während Bürger mit kleiner Rente oder kleinem Gehalt dringend auf politische Antworten hoffen. Diese latente Unzufriedenheit nährt Protestbewegungen (z.B. Montagsdemos gegen Preise) und prägt die öffentlichen Debatten über Bürgergeld, Mindestlohn, Mietendeckel etc. Auch die Wohnungsnot in Ballungsgebieten gehört in diesen Komplex – steigende Mieten sorgen für Ängste bis in die Mittelschicht hinein. Die Ampel versucht mit dem Wohngeld-Plus, dem 49€-Ticket und einmaligen Zahlungen gegenzusteuern, doch strukturell bleibt Wohnraumknappheit ein soziales Top-Thema.Weitere Punkte, die zwar etwas hinter den Top-5 zurückstehen, aber dennoch relevant sind: Bildung (Zustand von Schulen, Lehrermangel, Bildungschancen) wird von vielen als wichtig erachtet, insbesondere langfristig – hier gibt es jedoch keine kurzfristigen „Aufreger“, weshalb es in Umfragen seltener Top-3 genannt wird. Gesundheit/Pflege ist ebenfalls ein Dauerbrenner (Pflegenotstand, Krankenhausfinanzierung, Fachkräftemangel in der Medizin), der vor allem eine ältere Wählerschaft umtreibt. Energiepolitik (versorgungsicherheit, Strompreise, Kernkraftausstieg) war 2022/23 nach Kriegsbeginn ein Aufregerthema, hat sich aber mit Entspannung der Gaslage etwas beruhigt – gleichwohl bleiben die Transformationskosten der Energiewende ein Thema. In Summe lässt sich festhalten, dass Migration und Wirtschaft/Inflation derzeit die beiden dominierenden Themenbereiche sind (tagesschau.de), dicht gefolgt vom Klimaschutz. Diese Themen bestimmen die Wahlkampfdebatten und beeinflussen die Stimmung der Wähler ganz wesentlich. (Quellen: Umfragen von Forsa und Infratest dimap in Spätherbst 2024).(evangelische-zeitung.de). ARD-DeutschlandTrend Jan. 2025. (tagesschau.de; Statista 2025)
- Wahlprogramme von Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU) im Vergleich
Im Vorfeld der vorgezogenen Bundestagswahl im Februar 2025 haben sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als auch sein Herausforderer Friedrich Merz (CDU) ihre Programme und Positionen präsentiert. Nachfolgend eine Gegenüberstellung zentraler wirtschaftlicher, sozialer und politischer Positionen der beiden Kanzlerkandidaten:
Olaf Scholz / SPD – Programm und Positionen
- Wirtschaft und Industrie: Scholz und die SPD setzen auf gezielte Investitionen und staatliche Anreize, um die Konjunktur anzukurbeln. Kernidee ist der „Made in Germany“-Bonus – eine staatliche Prämie, die Unternehmen zu Investitionen in neue Maschinen und Anlagen motivieren soll (deutschlandfunk.de). Über einen Deutschlandfonds in Höhe von 100 Mrd. € (öffentliche + private Mittel) sollen wichtige Zukunftsinvestitionen finanziert werden. Außerdem will die SPD die Strompreise für die Industrie senken, ggf. durch einen subventionierten Industriestromtarif. Scholz plädiert für eine „moderatere Schuldenbremse“ – sprich: gewisse Lockerungen der strikten Haushaltsregeln, um mehr Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz und Bildung zu ermöglichen. Insgesamt verfolgt Scholz eine aktive Industriepolitik: Der Staat soll notfalls eingreifen, z.B. sich an Unternehmen beteiligen, um Arbeitsplätze zu retten (wie einst bei Lufthansa). Die SPD will zudem Zukunftsbranchen fördern (Elektromobilität – E-Autos bis 2035 kfz-steuerfrei, Wasserstoffindustrie, Halbleiterfertigung mit Subventionen).
- Steuern und Finanzen: Die steuerpolitische Linie der SPD ist Entlastung der breiten Mittelschicht bei gleichzeitiger stärkerer Belastung sehr Wohlhabender. Konkret sollen 95 % der Arbeitnehmer durch eine Steuerreform entlastet werden – u.a. durch Abbau der sog. kalten Progression und ggf. Tarifanpassungen. Die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel will Scholz von 7 % auf 5 % senken, um Lebensmittel günstiger zu machen.Im Gegenzug sollen Top-Verdiener und Vermögende mehr beitragen: Die SPD will die seit 1997 ruhende Vermögensteuer wieder erheben (deutschlandfunk.de). Auch die Erbschaft- und Schenkungsteuer soll erhöht bzw. schlupflochfrei ausgestaltet werden. Zudem tritt Scholz für die Beibehaltung des „Solidaritätszuschlags“ für Spitzenverdiener ein (die CDU will ihn abschaffen). Insgesamt steht das Motto “Mehr für die Mehrheit – mehr Beitrag von den Reichsten”. Unternehmen sollen im Gegenzug für Investitionen Entlastungen bekommen (z.B. Superabschreibungen), aber keine generelle Senkung der Unternehmenssteuern. Die Schuldenbremse möchte Scholz – wie erwähnt – flexibel handhaben; langfristig strebt die SPD aber solide Finanzen an, Wachstum soll einen Großteil nötiger Ausgaben tragen.
- Soziales und Arbeit: Die SPD positioniert sich klar als soziale Gerechtigkeitspartei. Geplant ist eine Anhebung des Mindestlohns auf 15 € pro Stunde (derzeit 12 €) (deutschlandfunk.de). Damit sollen besonders Geringverdiener besser gestellt werden. Das Arbeitslosengeld II alias Bürgergeld will die SPD beibehalten, aber mit besserer Betreuung und Qualifizierung. Familien sollen unterstützt werden: Scholz will die Elternzeit ausbauen (mehr Partnermonate) und eine Kindergrundsicherung umsetzen, die Kinderarmut bekämpft. In der Rentenpolitik verspricht die SPD eine „stabile Rente“ – das Rentenniveau soll dauerhaft mindestens 48 % betragen. Eine Anhebung des Renteneintrittsalters über 67 hinaus lehnt Scholz ab. Zur Sicherung der Rente setzt er auf Beschäftigungsaufbau und Zuwanderung (mehr Einzahler) sowie auf einen erweiterten Bundeszuschuss. In der Pflege plant Scholz, den Eigenanteil der Pflegebedürftigen im Heim auf max. 1000 € pro Monat zu deckeln (deutschlandfunk.de) – darüber hinausgehende Kosten würde die Pflegeversicherung tragen, um Angehörige zu entlasten. Im Bereich Wohnen spricht sich die SPD für eine Verlängerung der Mietpreisbremse ohne Ablaufdatum aus (deutschlandfunk.de). Zudem sollen deutlich mehr Sozialwohnungen gebaut und Mietwucher bekämpft werden. Scholz möchte das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr (Ampel-Ziel) trotz Verfehlung erneut anstreben. Summa summarum präsentiert sich Scholz’ Programm als Mix aus Entlastungen (Steuern runter, Mindestlohn rauf) und staatlicher Daseinsvorsorge.
- Klima und Energie: Als Kanzler einer Koalition mit den Grünen hat Scholz bereits viele Klimaschutzmaßnahmen mitgetragen (z.B. Ausbau Erneuerbarer Energien beschleunigt, Kohleausstieg möglichst vorgezogen auf 2030, massive Förderung der Gebäudesanierung). Im SPD-Programm bleibt Klimaschutz ein zentrales Anliegen: Deutschland soll bis 2045 treibhausgasneutral sein. Geplante Maßnahmen umfassen ein Klimaschutzsofortprogramm für den Verkehrssektor (CO₂-Einsparungen im Transport, Förderung der Bahn) und Investitionen in die Wasserstoffwirtschaft. Verbrenner-Aus 2035 in der EU trägt Scholz mit, setzt aber auf industrielle Unterstützung, damit deutsche Hersteller bei E-Autos dominieren. Die Umweltprämie für E-Autos wurde zwar 2023 gekürzt, doch im Wahlprogramm verspricht die SPD eine neue Kaufprämie speziell für in Deutschland produzierte E-Fahrzeuge, um Nachfrage und Standort zu stützen. Gegenwind bekommt Scholz hier von Kritikern, die mehr fordern, aber er versucht Klimaschutz sozial verträglich zu gestalten (z.B. Klimageld als Ausgleich der CO₂-Preise, Förderung von Wärmepumpen mit Zuschüssen). Atomkraft lehnt Scholz weiterhin ab – ein Wiedereinstieg kommt für die SPD nicht in Frage, stattdessen voll auf erneuerbare Energien und Speicher setzen.
- Migration und Innere Sicherheit: Die SPD vertritt in der Migrationspolitik einen ausgewogenen Kurs (siehe oben Punkt 3). Scholz betont die Notwendigkeit europäischer Lösungen und möchte das im Juni 2023 vereinbarte EU-Asylsystem umsetzen. Nationale Alleingänge wie Zurückweisungen an Binnengrenzen sieht er skeptisch. Allerdings hat Scholz angesichts des öffentlichen Drucks Anfang 2025 schärfere Töne angeschlagen: Er will “irreguläre Migration deutlich reduzieren” und unterstützt z.B. die Einstufung Georgiens und Moldaus als sichere Herkunftsländer, schnellere Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und härtere Maßnahmen gegen Passfälscher und Schleuser. Gleichzeitig hält Scholz an humanitären Grundsätzen fest (Familiennachzug, kein Abschiebe-Bashing). In der inneren Sicherheit setzt die SPD auf mehr Personal für Polizei und Verfassungsschutz (Kampf gegen Rechtsextremismus) und auf Prävention. Gegenüber der Union betont Scholz gern, man habe die niedrigste registrierte Kriminalitätsrate seit Jahrzehnten – dennoch will er insbesondere Gewalt gegen Rettungskräfte oder Amtsinhaber strenger ahnden.
- Außen- und Verteidigungspolitik: Scholz steht für Kontinuität in der Außenpolitik: Pro-EU, transatlantisch, werteorientiert. Seine berühmte „Zeitenwende“-Rede nach Russlands Angriff war richtungsweisend – Scholz hat ein 100 Mrd. € Sondervermögen für die Bundeswehr initiiert und bekennt sich zum NATO-Ziel 2 % des BIP für Verteidigung auszugeben. Allerdings achtet er darauf, Soziales nicht gegen Rüstung auszuspielen – zusätzliche Militärausgaben sollen nicht zu Kürzungen bei Renten o.ä. führen. Zur Ukraine-Politik: Die SPD (und Scholz) stehen fest an der Seite der Ukraine, unterstützen Sanktionen gegen Russland und liefern Waffen – jedoch besonnen. Scholz zögert bei eskalativen Waffensystemen: So lehnt er die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern mit großer Reichweite weiter ab (deutschlandfunk.de) um eine direkte Kriegsbeteiligung der NATO zu vermeiden. Merz hatte ihm hier Zickzack vorgeworfen, doch Scholz bleibt vorsichtig. Im Umgang mit China verfolgt Scholz einen Kurs der „Riskoreduzierung“ (Diversifikation) ohne völlige Entkoppelung – Deutschlands Wirtschaftsbeziehungen sollen bestehen bleiben, aber kritische Abhängigkeiten verringert. Insgesamt präsentiert sich Scholz außenpolitisch als erfahrener Staatsmann, der Bündnisse stärkt (EU-Einigkeit, NATO, G7-Multilateralismus) und Krisen durch Diplomatie lösen will, wo möglich.
Friedrich Merz / CDU – Programm und Positionen
- Wirtschaft und Steuern: Merz und die Union gehen mit einem wirtschaftsliberalen Kurs in den Wahlkampf (deutschlandfunk.de). Ihr gemeinsames Wahlprogramm “Politikwechsel für Deutschland” setzt vor allem auf umfangreiche Steuererleichterungen für Bürger und Unternehmen. Konkret verspricht Merz milliardenschwere Steuersenkungen: Die Stromsteuer und Netzentgelte (Abgaben auf Strom) sollen deutlich reduziert werden, um Energie günstiger zu machen. Zudem will die Union die Körperschaftsteuer plus Gewerbesteuer so deckeln, dass die Gesamtsteuerlast für Unternehmen max. 25 % beträgt – ein deutlicher Schnitt gegenüber dem heutigen Niveau von ~30 %. Ein zentrales Versprechen ist die Abschaffung des Solidaritätszuschlags (derzeit für Top-Verdiener und Kapitalgesellschaften noch erhoben). Für Arbeitnehmer plant die Union steuerliche Entlastungen bspw. bei Überstundenzuschlägen (Steuerfreiheit). In der Gastronomie soll der ermäßigte MwSt-Satz von 7 % auf Speisen dauerhaft gelten. Merz setzt außerdem auf Bürokratieabbau – etwa schnellere Planungsverfahren, weniger Auflagen für den Mittelstand – um die Wirtschaft zu beleben. Finanziert werden sollen diese Entlastungen laut CDU durch Wirtschaftswachstum und Ausgabenkürzungen an anderer Stelle (deutschlandfunk.de). Merz verweist darauf, dass eine boomende Wirtschaft automatisch zu höheren Steuereinnahmen führt. Zusätzlich will die Union bei Sozialleistungen sparen (siehe nächster Punkt). Die Schuldenbremse möchte Merz strikt einhalten – anders als Scholz keine Aufweichung. Insgesamt zeichnet Merz das Bild eines wettbewerbsfähigen Standortes durch niedrige Steuern, weniger Staat und mehr privatwirtschaftliche Dynamik. Sein wirtschaftspolitisches Profil ist marktorientiert (er war selbst Unternehmensanwalt und Aufsichtsratschef). Anders als Scholz lehnt er direkte Industrie-Subventionen (wie Scholz’ Industriestrompreis oder Investitionsprämien) eher ab – die Union setzt statt auf Subventionen auf Steuererleichterungen.
- Haushalt und Finanzen: Die Union kritisiert die Ampel für ausufernde Ausgaben. Merz verspricht eine solide Finanzpolitik, d.h. keine neuen Schulden über der Bremse und Ausgabendisziplin. Geplante Entlastungen sollen durch Effizienz und Einsparungen ausgeglichen werden. So sollen z.B. “Wachstumsmilliarden” durch die Steuerentlastungen generiert werden (höhere Investitionen, mehr Jobs -> mehr Einnahmen). Trotzdem gibt es Kritik, viele seiner Steuerversprechen seien nicht gegenfinanziert. Merz entgegnet, man werde Einsparpotenziale heben – konkret nennt das Programm Einschnitte beim Bürgergeld und den Flüchtlingsausgaben (deutschlandfunk.de). Dadurch und durch “falsche Prioritäten” der Ampel (z.B. teure neue Sozialleistungen) sieht Merz Spielraum für einen “Sparhaushalt” zugunsten der Entlastungen. Sollten die Steuereinnahmen dennoch nicht reichen, bleibt offen, wo genau gekürzt wird – Kritiker befürchten Abbau bei Klimaschutz oder Sozialem. Merz selbst betont seinen Willen, Verschwendung zu bekämpfen (z.B. Bürokratiekosten, ineffiziente Förderprogramme zusammenstreichen).
- Soziales und Arbeit: Die CDU unter Merz verfolgt einen Kurs der Leistung und Eigenverantwortung. So will er das von der Ampel eingeführte Bürgergeld (Arbeitslosengeld II) wieder umgestalten. Geplant ist eine “Neue Grundsicherung mit verschärften Sanktionen”. Konkret sollen Bezieher schneller sanktioniert werden können, wenn sie z.B. Jobangebote ablehnen oder nicht genug mitwirken. Merz kritisiert, das Bürgergeld setze zu wenig Anreize zur Arbeitsaufnahme. Auch die Regelsätze will er prüfen – Einsparungen im Sozialetat sind Teil seiner Gegenfinanzierung. Zudem soll es keine Bürgergeld-Erhöhungen ohne ausgleichende Maßnahmen geben. In der Familienpolitik will die Union insbesondere die Mittelschicht entlasten: das Ehegattensplitting und Kindergeld bleiben unangetastet, eventuell soll der Kinderfreibetrag erhöht werden. Merz setzt auf klassische Familienwerte – z.B. die Förderung von Wohneigentum für Familien (Baukindergeld neu auflegen) und die Stärkung der Wahlfreiheit (Teilhabe von Eltern, die zu Hause betreuen). Beim Mindestlohn hat die Union kein konkretes Erhöhungsziel genannt (sie hatte den Sprung auf 12 € kritisch gesehen), sondern will dies der Mindestlohnkommission überlassen – vermutlich bleibt er bei ~12 € bis 2026.
- Rentenpolitik: Die Rentenpläne der Union sorgten früh für Diskussion. Im neuen Programm bekennt sich die CDU überraschend dazu, das Renteneintrittsalter doch bei 67 Jahren zu belassen (deutschlandfunk.de) – obwohl noch 2021 ein Vorschlag im Raum stand, es an die Lebenserwartung zu koppeln (was effektiv ein höheres Alter bedeuten würde). Dieser Schritt – wohl taktisch motiviert, um keine Wähler zu verprellen – wurde von Sozialverbänden dennoch kritisiert, da unklar bleibt, wie die Rente langfristig finanziert werden soll. Die Union erwähnt ergänzend die Förderung der privaten Altersvorsorge (betriebliche Rente, Aktienrente), um die gesetzliche Rentenversicherung zu entlasten. Merz betont, die Wirtschaftskraft und Beschäftigung seien der Schlüssel: Ein starkes Wachstum und mehr sozialversicherungspflichtige Jobs würden das Rentensystem tragen. Leistung kürzen (Rentenniveau senken) will die Union offiziell nicht; auch hier zielt man eher auf mehr Beitrag durch längeres Arbeiten. Einige Unionspolitiker sprachen sich perspektivisch doch für eine Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung aus – was implizit drinsteht, aber erst nach 2030 Thema würde. Kurzfristig steht die Union also für Stabilität nach außen, hat aber wenig konkrete neue Rentenmaßnahmen außer dem Erhalt des Niveaus von 48 %.
- Gesundheit und Pflege: Die CDU will die Pflegeversicherung reformieren, u.a. durch eine Pflegevollversicherung für schwere Fälle (ähnlich dem SPD-Plan mit Deckelung des Eigenanteils). Konkrete Zahlen nennt Merz nicht, aber man will Pflegebedürftige entlasten, ohne die Beitragszahler zu überfordern – ein Balanceakt. Im Gesundheitswesen soll die ärztliche Versorgung auf dem Land verbessert werden (Anreize für Landärzte, Telemedizin). Eine Bürgerversicherung (wie von Linken/Teilen der SPD gefordert) lehnt Merz klar ab – er will an der dualen Kasse (gesetzlich/privat) festhalten.
- Klima und Energie: Merz’ CDU bekennt sich zu den Klimazielen, setzt aber andere Akzente als die Ampel. Statt Verbote und schnelle Ausstiege zu priorisieren, will Merz Technologieoffenheit betonen. So kritisiert er das Ampel-Heizungsgesetz als überhastet – die Union will stattdessen auf Marktanreize und Übergangsfristen setzen. Kernenergie: Hier positioniert sich Merz deutlich anders als Scholz. Die Union hält es für einen Fehler, die letzten AKW abzuschalten, und möchte perspektivisch neue Reaktortechnologien (SMR, Fusionsforschung) prüfen. Zwar verspricht Merz nicht die sofortige Rückkehr zur Kernkraft, aber zumindest eine ergebnisoffene Prüfung gehört zum Programm. Beim Kohleausstieg hält die Union am Ziel 2038 fest (eine Vorziehung auf 2030 nur “wenn möglich”). Insgesamt lautet Merz’ Devise: Klimaschutz ja, aber ohne wirtschaftliche Überforderung. Er setzt stark auf Emissionshandel und globale Lösungen statt nationaler Alleingänge. Die Union will außerdem die Energieerzeugung diversifizieren – Offshore-Wind, Gas als Übergang, möglicherweise Import von sauberem Wasserstoff – und die Bürger bei CO₂-Kosten entlasten. Auf europäischer Ebene möchte Merz ein Umsteuern bei der Auto-Emissionspolitik (Offenheit für E-Fuels, um den Verbrenner als Option zu erhalten).
- Migration und innere Sicherheit: Wie bereits in Abschnitt 3 analysiert, fährt Merz hier einen sehr harten Kurs. Die Asylpolitik der Union zielt auf Maximalbegrenzung der Zuwanderung ab. Merz fordert eine Zurückweisung von Asylbewerbern an der deutschen Grenze, sofern sie aus sicheren EU-Staaten kommen. Außerdem will er einen jährlichen Aufnahmerahmen definieren – faktisch also eine Obergrenze. Seine Rhetorik (“Keine Flüchtlingspolitik à la Ampel mehr”) spricht die Wähler an, die sich von der aktuellen Politik überfordert fühlen. Die Union würde im Falle eines Wahlsiegs wohl ein ganzes Maßnahmenpaket umsetzen: beschleunigte Asylverfahren, Ausreisezentren, konsequentere Abschiebungen, Kürzung von Geldleistungen (hin zu Sachleistungen), Aussetzen des Familiennachzugs in bestimmten Fällen, Ausbau der sicheren Herkunftsländer-Liste etc. Merz unterstützt auch die EU-Pläne zu Grenzverfahren und eine stärkere EU-Grenzschutzagentur Frontex. Im Wahlprogramm der Union ist die Rede von “deutlicher Verschärfung der Migrationspolitik” (deutschlandfunk.de). Innenpolitisch verspricht Merz außerdem mehr Polizei auf die Straße, harte Gangart gegen Clankriminalität und Abschiebung krimineller Ausländer (“Wer Gastrecht missbraucht, muss gehen.” – ein CSU-Slogan). Bei der inneren Sicherheit gibt sich Merz also law-and-order: Videoüberwachung ausbauen, Strafmündigkeitsalter prüfen (nach Vorfällen mit jugendlichen Tätern) und das Bundesamt für Verfassungsschutz stärken – insbesondere im Kampf gegen Rechtsextremismus, aber auch gegen Klima-Extremisten (Stichwort Letzte Generation).
- Außen- und Sicherheitspolitik: Die außenpolitischen Grundlinien der CDU sind traditionell ähnlich wie bei der SPD: pro transatlantisch, NATO-treu, EU-integriert. Merz unterstützt die Zeitenwende ausdrücklich und wirft Scholz eher vor, bei der Bundeswehr-Erneuerung zu zögerlich zu sein. Er fordert, dass die 2 %-BIP-Ausgabe für Verteidigung dauerhaft eingehalten wird, nicht nur über ein Sondervermögen. Merz gilt als transatlantisch sehr eng vernetzt – er würde das Verhältnis zu den USA (auch unter evtl. Präsident Trump) hochhalten. Gegenüber Russland fährt Merz einen harten Kurs; er hat sich früh für umfassende Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen. Allerdings unterlag er teils Schwankungen: Beim Thema Taurus-Marschflugkörper etwa hatte Merz zunächst Druck auf Scholz gemacht, stimmte dann aber im Bundestag doch gegen einen FDP-Antrag zur Lieferung – was die SPD als “Zickzackkurs” kritisierte (tagesschau.de). Grundsätzlich ist zu erwarten, dass Merz als Kanzler bei der Unterstützung der Ukraine eher noch entschlossener auftreten würde als Scholz – er signalisiert volle Solidarität und würde vermutlich schneller moderne Waffensysteme freigeben. In Bezug auf China vertritt Merz eine kritischere Haltung: Er warnt vor chinesischem Einfluss (z.B. bei Infrastrukturkäufen wie dem Hamburger Hafen) und würde wohl – ähnlich wie die Ampel – auf Entflechtung in sensiblen Bereichen drängen, aber möglicherweise mit mehr Druckmitteln. Europapolitisch möchte Merz die EU wettbewerbsfähiger machen (kein weiterer Aufwuchs der Bürokratie in Brüssel, Reform der EU-Asylpolitik, Betonung des Subsidiaritätsprinzips). Im Gegensatz zur SPD ist die CDU bei gemeinsamen EU-Schulden skeptischer – Merz lehnt eine Vergemeinschaftung von Schulden über 2026 hinaus ab.
Zusammengefasst: Olaf Scholz (SPD) setzt auf staatliche Investitionen, soziale Absicherung und internationale Kooperation, während Friedrich Merz (CDU) auf Steuersenkungen, Eigenverantwortung und nationale Ordnungspolitik fokussiert. Scholz möchte die Industrie mit Zuschüssen stützen (z.B. Industrie-Strompreis) und fordert Beiträge der Reichen (Vermögensteuer), Merz will die Wirtschaft durch Steuersenkungen entfesseln und Sozialleistungen straffen. In der Sozialpolitik steht Scholz für Mieterschutz, 15 € Mindestlohn und stabile Renten (deutschlandfunk.de), Merz für Anreize, um mehr arbeiten zu gehen, und eine Schlankung von Bürgergeld & Co. Klimapolitisch teilt Scholz die Ampel-Ziele und lehnt Kernkraft ab, Merz setzt etwas andere Prioritäten (Technologieoffenheit, evtl. Kernenergie prüfen). Migrationspolitisch ist Scholz moderat (europäische Lösungen, Integration), Merz strikt (Obergrenze, Grenzschutz). Beide Kandidaten werben damit, Deutschland auf ihren jeweiligen Kurs zu bringen: Scholz als Erneuerer mit sozialem Gewissen, Merz als Macher für einen „Politikwechsel“ zugunsten der Leistungsträger. Die Wähler haben damit eine klare Wahl zwischen Mitte-links und Mitte-rechts, personifiziert durch zwei sehr unterschiedliche Politiker.
(Quellen: SPD-Regierungsprogramm “Mehr für Dich. Besser für Deutschland.” (deutschlandfunk.de; CDU/CSU-Wahlprogramm “Politikwechsel für Deutschland”; Tagesschau und DLF-Berichte.)
- Kompetenzanalyse nach Spencer & Spencer (1980) – Wer wäre der bessere Kanzler?
Der Managementansatz von Lyle M. Spencer Jr. und Signe M. Spencer (“Competence at Work”, 1993) definiert Kompetenzen als grundlegende Persönlichkeitsmerkmale, die in direktem Zusammenhang mit überdurchschnittlicher beruflicher Leistung stehen (sarges-partner.de). Für die Rolle des Bundeskanzlers – de facto der CEO Deutschlands – sind eine Reihe von Schlüsselkompetenzen entscheidend. Dazu zählen insbesondere:
- Strategisches Denken und analytisches Urteilsvermögen: Ein Kanzler muss komplexe Sachverhalte durchdringen, langfristige Konsequenzen abschätzen und eine klare Richtung vorgeben können. Die Fähigkeit, Informationen schnell zu analysieren und fundierte Entscheidungen zu treffen, ist essenziell – sei es in der Wirtschaftspolitik oder in Krisensituationen.
- Führungskompetenz und Durchsetzungsfähigkeit: Als Regierungschef führt der Kanzler ein Kabinett und muss eine Koalition zusammenhalten. Dazu braucht es Impact and Influence – also Einflussnahme und Überzeugungskraft (sarges-partner.de). Kompetenzen wie Überzeugungsfähigkeit, Verhandlungsgeschick, Initiative und Empathie spielen hier zusammen. Ein guter Kanzler kann unterschiedliche Partner (Minister, Fraktionen, Länder, internationale Verbündete) hinter gemeinsamen Zielen vereinen und Konflikte moderieren.
- Kommunikationsfähigkeit: Die Fähigkeit, komplexe Inhalte klar und vertrauensbildend an die Bevölkerung zu vermitteln, gehört zum Kerngeschäft. Kanzler müssen in Reden, Interviews und Diskussionen ihre Politik erklären und Menschen mitnehmen. Persuasiveness (Überredungskunst) und Souveränität im Auftreten sind hierbei von Vorteil. Ein kompetenter Kanzler bringt Sachlichkeit und Charisma in ein ausgewogenes Verhältnis.
- Krisenmanagement und Belastbarkeit: Die vergangenen Jahre (Pandemie, Krieg, Energiekrise) haben gezeigt, dass ein Kanzler krisenfest sein muss. Das bedeutet: Belastungsfähigkeit, schnelles Handeln unter Druck, Ruhe bewahren und Prioritäten setzen. Resilienz – also Rückschlagstoleranz und Nervenstärke – ist eine wesentliche Kompetenz, um auch in unsicheren Zeiten handlungsfähig zu bleiben.
- Integrität und Verantwortungsbewusstsein: Ein Kanzler braucht ein hohes Maß an Vertrauen der Bevölkerung und der Partner. Dafür sind Integrität, Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit unerlässlich (sarges-partner.de). Dazu zählt, ehrlich zu kommunizieren, Fehler einzugestehen und das Gemeinwohl über Partikularinteressen zu stellen. Auch Entscheidungsfreude gehört dazu – Verantwortung übernehmen, selbst wenn Entscheidungen unpopulär, aber notwendig sind.
- Organisations- und Teamfähigkeit: Die Bundesregierung ist ein komplexes Gebilde – effektives Delegieren, gutes Zeitmanagement und das Erkennen von Kompetenzen anderer (um die richtigen Leute an den richtigen Positionen zu haben) sind weitere Erfolgsfaktoren. Ein Kanzler sollte die Stärken seines Teams nutzen und ein Umfeld schaffen, in dem Expertise zur Geltung kommt (beispielsweise Wissenschaftler in Beratungsgremien oder effiziente Kabinettsausschüsse einrichten).
Nach Spencer & Spencer basiert überdurchschnittliche Performance darauf, dass diese Kompetenzen ausgeprägt vorhanden sind und situationsgerecht eingesetzt werden. Betrachtet man nun Olaf Scholz und Friedrich Merz unter diesem Modell, zeigt sich folgendes Bild:
Olaf Scholz verfügt über langjährige Regierungserfahrung (u.a. Erster Bürgermeister von Hamburg, Bundesfinanzminister, seit 2021 Kanzler), in deren Verlauf er viele der genannten Kompetenzen in der Praxis unter Beweis stellen konnte. Er gilt als sehr analytisch und detailorientiert – von Anhängern positiv als faktenstarker Problemlöser gelobt. In der Tat ist Scholz dafür bekannt, Aktenwissen zu beherrschen und komplexe Verhandlungen (etwa auf EU-Ebene in Brüssel) sachlich zu steuern. Diese Sachorientierung verleiht ihm Glaubwürdigkeit in inhaltlichen Debatten. So wurde sein Auftritt im TV-Duell von SPD-Chef Klingbeil als „sehr faktenstark“ gelobt (tagesschau.de), was auf hohe Fachkompetenz schließen lässt. Als Krisenmanager bewies Scholz Belastbarkeit – er führte Deutschland durch die Covid-19-Pandemie (als Finanzminister mit massiven Wirtschaftshilfen) und die Ukraine-Krise (mit der Zeitenwende und Entlastungspaketen). Er blieb auch unter Druck ruhig und vermittelte Stabilität. International konnte Scholz Bündnispartner koordinieren (z.B. bei G7-Treffen 2022).
Eine oft genannte Schwäche Scholz’ ist seine Kommunikation. Er neigt zu technokratischer Sprache und zögerte in der Vergangenheit, seine Politik emotional zu erklären. Das brachte ihm den Spitznamen „Scholzomat“ ein. Doch zuletzt hat er hier nachgelegt und sich kämpferischer gezeigt. Im Wahlkampf 2025 trat er ungewohnt angriffsfreudig auf, ohne seine Ruhe zu verlieren. Markus Söder (CSU) attestierte Merz zwar einen souveränen Auftritt und Scholz Aggressivität, doch Scholz hat offensichtlich seine Rhetorik geschärft, um besser zu punkten. Seine Integrität wurde durch Affären wie CumEx (Warburg-Bank) zwar hinterfragt, allerdings gibt es keine Beweise für persönliches Fehlverhalten; insgesamt gilt Scholz als sachlich-korrekt und frei von Skandalen. In puncto Teamführung: Er führte die ideologisch heterogene Ampel-Koalition über zwei Jahre und brachte trotz Streit einiges auf den Weg (Bürgergeld, Mindestlohn, Bundeswehrfonds etc.). Dass die Koalition letztlich zerbrach, lag an unvereinbaren Positionen von FDP und Grünen – Scholz bemühte sich stets um Ausgleich, was eine gewisse Moderationskompetenz zeigt. Kritiker monieren jedoch, er hätte stärker eingreifen müssen, um Streit (z.B. um Heizungsgesetz) früher zu befrieden.
Friedrich Merz kann auf umfangreiche Erfahrung in Wirtschaft und Opposition zurückgreifen, hat jedoch noch nie ein Regierungsamt auf Bundesebene bekleidet. Als CDU-Fraktionschef (2000–2002) und heutiger Parteivorsitzender verfügt er über Führungserfahrung in der Politik, allerdings unter anderen Vorzeichen als ein Kanzler. Merz’ große Stärke liegt in seiner Kommunikations- und Debattierfähigkeit. Er ist rhetorisch gewandt, zugespitzt und kann komplexe Sachverhalte pointiert darstellen – das hat er in unzähligen Bundestagsdebatten bewiesen. Im TV-Duell 2025 zeigte er sich gezielt “staatsmännisch gelassen”, als Scholz angriff (tagesschau.de). Diese Souveränität im Auftreten kommt ihm zugute, um Vertrauen zu vermitteln. Seine Anhänger schätzen ihn als klar und entschlossen. Merz wird zudem ein hohes wirtschaftliches Fachwissen zugesprochen – als ehemaliger Anwalt und Aufsichtsratschef (BlackRock Deutschland) kennt er die Finanzwelt. Somit bringt er Kompetenz im Verständnis von wirtschaftlichen Zusammenhängen mit.
Ein möglicher Schwachpunkt ist Merz’ begrenzte Krisenerfahrung in exekutiver Verantwortung. Er war nicht in die Pandemiebewältigung oder Regierungsentscheidungen involviert, sondern hat diese von außen kommentiert. Ob er im Ernstfall ähnlich besonnen agieren würde wie Scholz, der in der Regierungspraxis stand, muss sich erst zeigen. Auch Merz’ Teamfähigkeit wurde in der Vergangenheit hinterfragt – lange galt er als Einzelkämpfer, der mit Angela Merkel konkurrierte. Allerdings hat er als CDU-Chef gelernt, die Partei zu einen und mit der CSU (Söder) effektiv zusammenzuarbeiten. Die CDU unter Merz wirkt geschlossener als zu Zeiten des Übergangs 2018–2021. Das deutet darauf hin, dass Merz durchaus dazu gelernt hat in Sachen Leadership und Delegation.
In puncto Integrität hat Merz ein weitgehend sauberes Image, auch wenn politische Gegner ihm Nähe zur Finanzlobby unterstellen. Persönliche Skandale oder Korruptionsvorwürfe gibt es nicht. Allerdings leistete er sich einige kommunikative Ausrutscher (z.B. irritierende Aussagen zur Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene, die er später zurückruderte). Dies zeugt von einer gewissen Impulsivität in der Kommunikation, wo Scholz deutlich vorsichtiger ist. Merz’ Empathie wird unterschiedlich bewertet – Kritiker halten ihn für wenig einfühlsam gegenüber sozial Schwächeren, Anhänger sehen in ihm einen Macher, der Klartext redet.
Wer ist nun der “bessere” Kanzler gemäß dem Kompetenzmodell? Beide haben unterschiedliche Kompetenzprofile:
- Scholz glänzt auf der Achse Sachkompetenz & Erfahrung: Er hat als Amtsinhaber bewiesen, dass er komplexe Regierungsarbeit bewältigen kann, internationale Krisen meistert und faktenbasiert entscheidet. Seine analytischen und organisatorischen Fähigkeiten sind sehr ausgeprägt (tagesschau.de). Er verkörpert die Kompetenzen “Achievement Orientation” (Zielstrebigkeit – er führte die SPD 2021 überraschend zum Sieg) und “Analytical Thinking”. Zudem hat er hohe “Organizational Awareness” – er kennt die Apparate und Institutionen aus dem Effeff. In Spencer & Spencers Kategorien würde Scholz vermutlich in kognitiven und managementbezogenen Kompetenzen sehr hoch scoren (Konzeptuelles Denken, Selbstkontrolle, Qualitätsbewusstsein). Schwächen hat er tendenziell bei den Einfluss-Kompetenzen (Visionär auftreten, begeistern). Doch auch hier hat er – wie erwähnt – Fortschritte gemacht. Seine zurückhaltende, pragmatische Art passt zu einem Führungsstil, der auf ruhige Effektivität setzt statt auf großes Charisma.
- Merz überzeugt auf der Achse Auftreten & Überzeugung: Er bringt Durchsetzungsfähigkeit und Kommunikationsstärke mit, was für Führung im politischen Raum essentiell ist (tagesschau.de). Er kann ein klares Narrativ setzen (“Politikwechsel”) und Menschen mobilisieren. In Spencer-Begriffen hat Merz sicherlich eine hohe “Impact and Influence”-Kompetenz – er versteht es, durch Rhetorik und Argumentation andere einzunehmen. Auch Selbstvertrauen und Initiative gehören zu seinen sichtbaren Eigenschaften (er hat aktiv seine Rückkehr in die Politik betrieben, was Hartnäckigkeit zeigt). Seine unternehmerische Erfahrung dürfte ihm zudem ein Ergebnisorientiertes Denken (Outcome Focus) gegeben haben. Ungeprüft ist indes seine Stressresistenz als Entscheidungsträger in akuten Krisen. Hier hätte Scholz den Vorteil der bewältigten Bewährungsproben. Merz könnte diese Kompetenz allerdings rasch erwerben, wenn er ins Amt käme – viele Eigenschaften deuten darauf hin, dass er Druck standhalten kann (z.B. ließ er sich durch frühe politische Niederlagen nicht entmutigen, was auf Resilienz hindeutet).
Legt man das Spencer-&-Spencer-Modell zugrunde, so wäre der ideale Kanzlerkandidat derjenige, der die meisten relevanten Kompetenzen in sich vereint. Beide Kandidaten bringen einiges mit, aber in leicht unterschiedlicher Gewichtung. Scholz entspricht eher dem “kompetenten Manager”, der durch Sachorientierung und Erfahrung führt, Merz eher dem “visionären Leader”, der durch klare Kante und Kommunikation führt.
Betrachtet man die Anforderung der Kanzlerschaft – komplexe Regierungsprozesse steuern, Mehrheiten sichern, das Land nach außen repräsentieren – könnte man argumentieren, dass Olaf Scholz derzeit näher an diesem Idealprofil ist. Er hat bereits gezeigt, dass er entscheidungsfähig, krisenfest und international vernetzt ist (Stichwort G7-Präsidentschaft 2022). Er wird von Unterstützern als besonnen und kompetent geschätzt. Merz bringt ohne Zweifel frischen Tatendrang und klare Vorstellungen ein, doch muss er einige Kompetenzen (Regierungsführung, diplomatisches Feingefühl im Amt) erst noch praktisch beweisen. Aus Sicht des Modells, das ja auf nachgewiesener Leistung basiert, hätte Scholz hier einen Vorsprung – Kompetenz zeigt sich in gezeigter Performance (sarges-partner.de). Scholz’ Performance als Krisenkanzler (z.B. Energiekrise gemeistert, Inflation abgefedert, großes Entlastungspaket beschlossen) spricht für ihn. Merz wiederum hat Kompetenz in der Opposition gezeigt – er hat die CDU stabilisiert und die Ampel in Debatten stellenweise vor sich hergetrieben – doch die Exekutivkompetenz bleibt hypothetisch.
Nichtsdestotrotz gibt es auch Argumente für Merz: Er inspiriert einen Teil der Wählerschaft mehr als Scholz, was auf höhere motivationale Wirkung schließen lässt. Er gilt als entscheidungsfreudiger und würde wohl schneller unpopuläre Maßnahmen ergreifen (Spencer würde sagen: hohe Initiative und Risikobereitschaft). Wenn die aktuelle Regierung als zaudernd und zerstritten wahrgenommen wird, könnte ein Führungswechsel unter Merz Dynamik bringen – vorausgesetzt, er übersetzt seine Kompetenzen erfolgreich ins Kanzleramt.
Fazit: Unter dem Kompetenzmodell lässt sich Scholz als solider, erfahrener Amtsinhaber mit ausgeprägter Sachkompetenz charakterisieren, Merz als eloquenter, ehrgeiziger Herausforderer mit ökonomischem Sachverstand. Wenn es darum geht, wer die Anforderungen des Amtes bereits nachweislich erfüllt, liegt Olaf Scholz vorne – er hat viele der geforderten Kompetenzen im Amt unter Beweis gestellt (z.B. analytische Stärke und Krisenresilienz in der Pandemie/Ukraine-Krise) (tagesschau.de) Friedrich Merz hingegen verkörpert einige Kompetenzen (Kommunikation, Führung) möglicherweise sogar stärker, aber auf anderen Feldern ist er ungetestet. Gemäß Spencer & Spencer würde man tendenziell denjenigen bevorzugen, der das komplette Kompetenzprofil möglichst lückenlos abdeckt – aktuell spricht das leicht für Scholz. Allerdings hängt erfolgreiche Kanzlerschaft nicht nur von individuellen Kompetenzen ab, sondern auch vom Umfeld und Team. Beide Politiker haben unterschiedliche Ansätze, und welcher “besser geeignet” ist, wird letztlich der Wähler entscheiden. Aus rein kompetenzbasierter Perspektive und bisherigen Leistungsnachweisen erscheint Scholz als der etwas geeignere Kanzler, weil er die erforderlichen Kompetenzen bereits in der Praxis gezeigt hat (z.B. faktenbasierte Führung und internationale Krisendiplomatie). Merz bringt jedoch Eigenschaften mit, die ihn ebenfalls zu einem fähigen Kanzler machen könnten – etwa Souveränität und Entschlusskraft –, sodass ein abschließendes Urteil auch vom Gewicht abhängig ist, das man den einzelnen Kompetenzen beimisst. In jedem Fall verdeutlicht die Analyse nach Spencer & Spencer, dass Kanzlerkompetenz ein breites Bündel an Fähigkeiten voraussetzt, das bei Scholz und Merz unterschiedlich ausgeprägt ist.
Quellen: Statistisches Bundesamt, ARD-DeutschlandTrend, ZDFheute, Tagesschau, Deutschlandfunk, SPD- und CDU-Wahlprogramme, Spencer & Spencer (1993) Kompetenzmodell.